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Groupe Mutuel – der Filz zahlt sich aus

05.04.2017 12:02 – Otto Hostettler

Lobbygruppen bringen Parlamentariern Tausende von Franken ein. Zum Beispiel die «Groupe de réflexion santé» der Groupe Mutuel.

Das beste Lobbying ist, wenn ‹Politiker gar nicht merken, dass sie fĂŒr Firmeninteressen eingespannt werden. Ein schönes Beispiel dafĂŒr liefert die Westschweizer Krankenkassengruppe Groupe Mutuel. Unter dem Namen «Groupe de rĂ©flexion santé» vereinigt sie fĂŒnf National- und vier StĂ€nderĂ€te: Raymond Clottu (SVP), Sebastian Frehner (SVP), Martin Landolt (BDP), Bruno Pezzatti (FDP), Roland Eberle (SVP), Josef Dittli (FDP), Erich Ettlin (CVP) – und dieses Jahr als Besonderheit den amtierenden NationalratsprĂ€sidenten JĂŒrg Stahl (SVP) und den amtierenden StĂ€nderatsprĂ€sidenten Ivo Bischofberger (CVP). Mit Ausnahme von Landolt sitzen sie alle auch ‹in der parlamentarischen Gesundheitskommission.

Die Krux beginnt bereits beim Namen. Was ist eine «Groupe de réflexion»? Die Parlamentarier deklarieren sie im offiziellen Verzeichnis der Interessenbindungen als Beirat. Doch: Was ist ein Beirat? Die «Groupe de réflexion» sei «eine reine Diskussions- und Austauschplattform», sagt etwa FDP-StÀnderat Josef Dittli.

Was machen die ĂŒberhaupt?
Eine Rechtsform hat das Gremium nicht. Immerhin bestĂ€tigt die Groupe Mutuel, dass sie die entsprechende GeschĂ€ftsstelle fĂŒhrt. Über die effektive Funktion der Diskussionsgruppe ist nichts bekannt. Was an den Sitzungen diskutiert wird, dringt nicht nach aussen. Ein TĂ€tigkeits- oder Rechenschaftsbericht existiert nicht. Auch im GeschĂ€ftsbericht der Groupe Mutuel steht nichts dazu.

Anders gesagt: Es handelt sich um eine reine Lobbyplattform, zu der Parlamentarier handverlesen eingeladen werden. Es heisst, das Gremium tage viermal pro Jahr. Was tut es dabei? Dittli weicht aus: «Es werden keine Entscheide gefÀllt, wir geben auch nicht irgendwelche Empfehlungen ab und haben auch keine Interessen der Groupe Mutuel zu vertreten.»

Ganz so unverbindlich ist die TĂ€tigkeit aber nicht: Die Parlamentarier erhalten Geld dafĂŒr. Wie viel? Als einziges Mitglied der «Groupe de rĂ©flexion santé» legt StĂ€nderatsprĂ€sident Ivo Bischofberger (CVP) die Karten auf den Tisch: 2016 bezahlte ihm die Groupe Mutuel 4673.75 Franken.

«FĂŒr Politiker sollte es eine SelbstverstĂ€ndlichkeit sein, Einnahmen aus solchen TĂ€tigkeiten offenzulegen», sagt Eric Martin, PrĂ€sident von Trans­parency International Schweiz. «Ohne Transparenz gibt es kein Vertrauen.»

Womöglich werden nicht alle Mitglieder der «Groupe de rĂ©flexion» gleich bezahlt. Vor wenigen Jahren gab CVP-NationalrĂ€tin Ruth Humbel bekannt, sie erhalte fĂŒr vier Sitzungen 10'000 Franken. Humbel gehört dem Zirkel inzwischen nicht mehr an.

Urs Schwaller, einstiger CVP-Fraktionschef und wĂ€hrend seiner Zeit im Parlament ebenfalls Teil der Gruppe, liess sich einst dahingehend zitieren, dass ein Beirat je nach Anzahl Sitzungen 10'000 bis 20'000 Franken erhalte. Die Groupe Mutuel sagt dazu nur: «Wir machen keine Angaben zur Höhe der EntschĂ€digung fĂŒr die Teilnehmer der â€čGroupe de rĂ©flexion santĂ©â€ș.»

Offensichtlich sind die «unverbindlichen» Treffen der Kasse etwas wert. Basierend auf durchgesickerten Zahlen dĂŒrfte die Groupe Mutuel schĂ€tzungsweise jĂ€hrlich 50'000 bis 100'000 Franken fĂŒr diese Lobbytreffen aufwenden.

Urs Schwaller, der 2013 sagte, er sei als Mitglied der «Groupe de réflexion» völlig ungebunden und «nicht verpflichtet, die Meinung der Groupe Mu­tuel zu vertreten», hat offenbar zur Zufriedenheit der Kasse gewirkt. Seit Ende 2014 gehört Schwaller dem Verwaltungs­rat respektive dem Vorstand der Groupe Mutuel an.

Kein Interessenkonflikt?
Auch sonst ist die Groupe Mutuel im Parlament prominent vertreten. NationalratsprĂ€sident JĂŒrg Stahl sitzt nicht nur im Beirat, sondern auch in der GeschĂ€ftsleitung. SVP-StĂ€nderat Roland Eberle gehört auch mehreren VerwaltungsrĂ€ten von Groupe-Mutuel-Gesellschaften an. Mit seinen Ämtern verdient er gemĂ€ss ‹TĂ€tigkeitsbericht 80'000 Fran­ken.

Auf die Frage, ob er als Parlamen­tarier so nicht in einem Interessenkonflikt stehe, antwortete der langjÀhrige Thurgauer Gesundheitsdirektor: «Nur wer betroffen ist von einer Sache respektive etwas davon versteht, kann konkrete Gesetzgebungsarbeit leisten.» Wichtig seien daher Transparenz und «saubere» Ausstandsregeln. Beides werde nach seiner Erfahrung im Bundeshaus «in den allermeisten FÀllen sauber eingehalten».

Dieser Artikel erschien zuerst in Beobachter 7/17