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«Es geht mir um die GlaubwĂŒrdigkeit des Parlaments»

14.01.2020 11:24 – Thomas Angeli

Der Walliser CVP-StÀnderat Beat Rieder will mit einer Parlamentarischen Initiative Interessenskonflikte von Kommissionsmitgliedern verhindern. Bei seiner Partei stösst er damit nicht nur auf Gegenliebe.

Interview: Thomas Angeli

Herr Rieder, Sie fordern, dass Parlamentarier keine bezahlten Mandate mehr annehmen dĂŒrfen, die im Zusammenhang mit ihrer Mitgliedschaft in parlamentarischen Kommissionen stehen. Wollen Sie eigentlich Ehrenmitglied von Lobbywatch werden?

Beat Rieder: Ich habe schon genug Ehrenmitgliedschaften, ich verzichte.

Was hat Sie zu dieser Parlamentarischen Initiative bewogen?

Es ist offenkundig, dass Lobbying zu Politik gehört. Aber es werden dabei immer wieder Grenzen ĂŒberschritten, und in einem direktdemokratischen System sollten diese vermieden werden. Es ist aber relativ schwierig, diese Grenzen zu ziehen, wenn man einerseits das Milizparlament aufrecht zu erhalten, gleichzeitig aber die Interessenkonflikte im Rahmen halten will. Dort ansetzen, wo es aus meiner Sicht vernĂŒnftig ist. Nehmen wir das Beispiel der Gesundheitskommission (SGK). Wenn ein Parlamentarier ein Leben lang mit Gesundheitspolitik nichts am Hut hatte, dann in der SGK Einsitz nimmt, und ein paar Monate spĂ€ter ein Mandat einer Krankenversicherung hat, das ihm 120 000 Franken pro Jahr einbringt



 ein sehr realitÀtsnahes Beispiel.

Ein rein hypothetisches Beispiel. In einem solchen Fall ist fĂŒr mich der Konflikt zwischen dem politischen Mandat und dem geschĂ€ftlichen Interesse offenkundig. Einerseits hat man ein bezahltes Mandat, das einen zwingt, die Interessen der Krankenkasse zu vertreten, andererseits ist man Gesundheitspolitiker, der das Gesamtwohl im Auge haben sollte. Derart eklatante FĂ€lle kann und sollte man meines Erachtens mit einer gesetzlichen Regelung verbieten.

Stellen Sie solche FĂ€lle auch in anderen Kommissionen fest?

Durchaus, wenn auch nicht in diesem Ausmass. Ich kann mir zumindest vorstellen, dass es zum Beispiel in der Kommission fĂŒr Umwelt, Raumplaung und Energie (Urek) solche FĂ€lle gibt. Ich bin zum Beispiel ein Vertreter eines typischen Wasserschlosskantons, des Wallis. Als Politiker bin ich in der Energiepolitik exponiert, etwa beim Wasserzins. Wenn ich jetzt ein Mandat eines grossen Energiekonzerns annehmen wĂŒrde, so hĂ€tte ich ein Dilemma: Entweder vertrete ich die Interessen des Kantons Wallis oder diejenigen des Energiekonzerns. Zwischen diesen beiden Interessen ein Gleichgewicht zu finden, ist quasi unmöglich. Mit meinem Vorstoss kann man jedoch als Parlamentarier das geschĂ€ftliche Mandat nach wie vor ausĂŒben, aber man darf nicht mehr in der entsprechenden Kommission sitzen. Dabei gibt es drei Ausnahmen: Wenn man das Mandat schon frĂŒher innehatte, wenn es bloss ein Bagatellmandat ist, oder wenn es sich um eine hauptberufliche TĂ€tigkeit handelt.

FĂŒr AnwĂ€lte und TreuhĂ€nder gibt es ein Schlupfloch. Sie mĂŒssen ihre beruflichen Mandate nicht deklarieren, weil diese unter das Berufsgeheimnis fallen.

Da setze ich ein Fragezeichen. Es gibt fĂŒr einen Anwalt tatsĂ€chlich Mandate, die unter das Anwaltsgeheimnis fallen und nicht deklariert werden mĂŒssen. Aber gerade die kritischen Mandate, von denen wir hier reden, gehören meines Erachtens nicht dazu, weil es sich dabei nicht um eine anwaltschaftliche TĂ€tigkeit handelt. Es ist aber möglich, dass es einen Graubereich gibt, der sich nicht ganz abdecken lĂ€sst.

Wenn man das Ganze etwas weiter denkt, so gibt es noch die Möglichkeit, dass man erst nach dem Ende der politischen TĂ€tigkeit fĂŒr seinen Einsatz zugunsten eines Unternehmens oder einer Branche mit einem gut bezahlten Mandat belohnt wird. Abgetretene Mitglieder des Bundesrats haben diesbezĂŒglich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass das möglich ist.

Das ist nicht vermeidbar, sonst mĂŒsste man ein Berufsparlament einfĂŒhren. Bei BundesrĂ€ten liegt der Fall anders, da könnte man solchen Praktiken einen Riegel schieben. Aber das wollte das Parlament nicht.

Sind Sie mit Ihrem Vorstoss bei Ihrer Partei, der CVP, eigentlich auf viel Gegenliebe gestossen?

Ja klar, alle sind hell begeistert (lacht). Nein, es ist kein Parteivorstoss. Es geht mir darum, die GlaubwĂŒrdigkeit des Parlaments und der Politik in der Schweiz zu stĂ€rken. Es geht mir auch darum, dass man ĂŒber eine bessere EntschĂ€digung der politischen Arbeit diskutiert, so dass ein Parlamentarier nicht jedes x-beliebige Mandat annehmen muss, um sein Einkommen aufzubessern. Das ist der Kernpunkt. Wenn man heute als Milizparlamentarier auf solche bezahlten Mandate verzichtet, hat man unter UmstĂ€nden ein schlechteres Einkommen als vorher. Das darf nicht sein, sonst wird das politische System komplett unterhöhlt.

Konkret bedeutet das: Parlamentarier mĂŒssten fĂŒr ihre Arbeit besser entschĂ€digt werden. Ganz genau. Ich fĂ€nde es zum Beispiel gut, wenn die Mitglieder von National- und StĂ€nderat nur noch die effektiven Spesen und ÜbernachtungsentschĂ€digungen ausbezahlt erhalten wĂŒrden, und keine PauschalbetrĂ€ge. Aber dann muss man ĂŒber die TaggeldentschĂ€digung reden und darĂŒber, ob diese reicht, um die Parlamentsarbeit so zu erledigen, wie das die BĂŒrgerinnen und BĂŒrger erwarten dĂŒrfen. Heute geht diese Rechnung nicht auf.

Sie kommen der Ehrenmitgliedschaft bei Lobbywatch sehr nahe. Wir fordern das schon lange.

Ich verlange nicht, dass die EntschĂ€digungen dem Niveau von auslĂ€ndischen Parlamenten entspricht. Aber sie muss angemessen erhöht werden, damit man die FlexibilitĂ€t hat, auf bezahlte Verwaltungsratsmandate zu verzichten. Dagegen wehren sich jedoch sehr viele Parteien. Sie suggerieren, Parlamentsarbeit dĂŒrfe nur minimal entschĂ€digt werden. Damit fördern sie aber geradezu, dass Politiker bezahlte Mandate annehmen.

Beat Rieder, 56, ist Rechtsanwalt und Notar. Seit 2015 vertritt er fĂŒr die CVP den Kanton Wallis im StĂ€nderat. Rieders Parlamentarische Initiative wurde von der Staatspolitischen Kommission des StĂ€nderats mit 7 zu 2 Stimmen gutgeheissen und geht jetzt an den Nationalrat.


Update vom 14.2.2020

Nach dem StĂ€nderat hat auch die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) die Parlamentarische Initiative gutgeheissen, und zwar mit 15 zu 6 Stimmen. Damit erhĂ€lt die SPK des StĂ€nderats den Auftrag, die notwendige Änderung des Parlamentsrechts vorzubereiten.