12.11.2024 08:45 â Balz Oertli
Die Schweiz machte in den letzten zwei Jahren keine Fortschritte bei der KorruptionsbekĂ€mpfung im Parlament. Dies schreibt die GRECO in ihrem neuesten Bericht. Die Staatengruppe gegen Korruption ist eine Institution des Europarats. Periodisch untersucht diese, wie gut ihre Mitglieder gegen Korruption gewappnet sind. Als Europaratsmitglied wird auch die Schweiz durchleuchtet â Lobbywatch hat erst im Juli ĂŒber den letzten Bericht zur Politikfinanzierung berichtet.
Im aktuellen Bericht prĂŒfte die GRECO, inwiefern die Schweiz frĂŒhere Empfehlungen zur KorruptionsbekĂ€mpfung bei Parlamentarier:innen umgesetzt hat. Es geht dabei auch um die Frage, wie weit die Mitglieder eines demokratisch gewĂ€hlten Parlaments ihre Mandate offenlegen mĂŒssen. Die Umsetzung der Empfehlungen der GRECO bleibe in der Schweiz «eher zurĂŒckhaltend», resĂŒmiert diese trocken. Ein Blick in die Datenbank von Lobbywatch zeigt aber: Die Schweiz tĂ€te gut daran, genauer auf die GRECO zu hören.
Mangelnde Kontrolle
Die GRECO beanstandet dreierlei: Kontrolle, Schulung und Entlöhnung. Am stĂ€rksten kritisiert die GRECO die fehlende Kontrolle. Es seien «keine Massnahmen ergriffen» worden, «um ein System zur Kontrolle durch das Parlament einzufĂŒhren.» Die Parlamentarier:innen wĂŒrden zwar darauf hingewiesen, ihre Interessenbindungen selbststĂ€ndig zu aktualisieren. «AllfĂ€llige vorsĂ€tzliche Fehler oder Unterlassungen können dadurch jedoch nicht aufgedeckt werden», so die GRECO. Das stimmt nicht ganz: In Abwesenheit einer offiziellen Regelung, kontrolliert Lobbywatch bereits seit 10 Jahren, ob National- und StĂ€nderĂ€te ihre Interessenbindungen vollstĂ€ndig offenlegen. Und die Arbeit zeigt: Es ist nötig.
Nötige Kontrolle
Allein im Jahr 2024 fanden wir ĂŒber zweihundert nicht deklarierte, aber deklarationspflichtige Mandate von Mitgliedern des National- und StĂ€nderats. Das ist viel. Mit 13 nicht deklarierten (aber deklarationspflichtigen) Interessenbindungen steht NationalrĂ€tin Veronika Thalmann-Bieri (SVP LU) auf der diesjĂ€hrigen Spitzenposition. Darunter ist ihre Vorstandsmitgliedschaft im Verein Entlebucher Kaffeeschnapswanderungen â kein Mandat von politischer Wichtigkeit. NR Thalmann-Bieri ist Mitglied der SGK, der Kommission fĂŒr soziale Sicherheit und Gesundheit. Es ist daher schon interessanter, dass sie sowohl Vorstandsmitglied von «Pro Spital Wolhusen», als auch Mitglied der «Spitex Region Entlebuch». Beide Mitgliedschaften sind nicht im offiziellen Register deklariert. Im Register des Parlaments fĂŒhrt NationalrĂ€tin Thalmann-Bieri nur zwei VR-Mandate auf. Auf Nachfrage verweist Thalmann-Bieri auf ihre persönliche Webseite, auf der sie alle ihre Interessenbindungen vollstĂ€ndig ausweise. NR Thalmann-Bieri steht hier beispielhaft fĂŒr diverse Parlamentarier:innen. Bei mehr als 40 Prozent hat Lobbywatch mehr Mandate (wenn auch oft Kleinigkeiten) gefunden, als deklariert sind. Mehr Kontrolle wĂ€re also eine Möglichkeit.
Keine Beratung
Doch welche Mandate mĂŒssen offengelegt werden? Die GRECO schreibt in ihrem Bericht: die Parlamentarier:innen seien beim Deklarieren allein gelassen. Es mangle an Schulung und Beratung. Es wĂŒrde lediglich allen Parlamentarier:innen ein «Leitfaden fĂŒr die Ratsmitglieder zur Annahme von Vorteilen, zu Transparenz- und Offenlegungspflichten und zum Umgang mit Informationen» ausgeteilt. Zudem wĂŒrden alle jĂ€hrlich an ihre Pflicht, ihre Interessenbindungen zu melden, erinnert. «Die GRECO erachtete diese Massnahmen [âŠ] als unzureichend», schreibt sie knapp. Lobbywatch ist in dieser Frage eher streng. Wir listen alle Interessenbindungen, die wir finden â auch jene, die gemĂ€ss Parlamentsgesetz nicht deklarationspflichtig sind.
Transparenz wirkt
Dass Spielraum zur Verbesserung vorhanden wĂ€re, zeigt der letzte Kritikpunkt: die MandatsvergĂŒtungen. Die GRECO kritisiert, dass National- und StĂ€nderĂ€te in der Schweiz noch immer nicht angeben mĂŒssten, wie viel sie mit ihren Mandaten verdienen. Erst im Mai hat das Parlament die Motion Mazzone verworfen, welche verlangt hĂ€tte, dass Parlamentarier:innen die Spannbreite ihrer Verdienste angeben. Die GRECO nahm das «mit Bedauern zur Kenntnis».
Auch hier versucht Lobbywatch Transparenz zu schaffen. Bereits dreimal haben wir nach den Wahlen alle Parlamentarier:innen angefragt, ihre EinkĂŒnfte aus Mandaten freiwillig offenzulegen, um auf der Basis dieser Daten eine Transparenzliste. Zu veröffentlichen. Bei der letzten Liste â nach den Wahlen vom letzten Herbst â haben 58 Prozent der StĂ€nde- und NationalrĂ€t:innen ihre EinkĂŒnfte gegenĂŒber Lobbywatch transparent gemacht.