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Die Schlupflöcher bleiben bestehen

05.09.2022 05:00 – Philippe Wenger

Bei den nĂ€chsten National- und StĂ€deratswahlen 2023 mĂŒssen die Parteien ihre Finanzen offenlegen. Leider hat es der Bundesrat verpasst, im letzten Moment in der Verordnung nachzubessern.

Das Positive vorweg: Bei den nĂ€chsten National- und StĂ€nderatswahlen mĂŒssen Parteien im nationalen Wahlkampf erstmals ihre Spenden und Wahlkampfbudgets offen legen. Doch damit ist noch lĂ€ngst nicht alles im Butter. Im FrĂŒhling schaute sich Lobbywatch den Entwurf ĂŒber die Verordnung VPofi genau an. Damit werden die neuen Transparenzbestimmungen umgesetzt, die das Parlament 2021 beschlossen hat. Der Bundesrat hat die Antworten von Lobbywatch und vieler anderen Organisationen ausgewertet. Jetzt hat er die Verordnung verabschiedet. Leider bleiben einige Schlupflöcher trotz der Kritik von Lobbywatch bestehen.

Namenlose Spender:innen

Schlupfloch 1: Nur, wer eine Kampagne fĂŒhrt, muss offenlegen, woher die Spenden kommen. Das klingt einleuchtend, öffnet aber auch die Chance fĂŒr politische Alibi-Komitees, deren einziges Ziel die Umgehung der Offenlegung ist. Möchten Sie einem politischen Anliegen Geld spenden, aber nicht offenlegen, wer Sie sind? GrĂŒnden Sie das "Team fĂŒr eine starke Schweiz"! Dieses "Team" sammelt anonym Gelder und spendet sie an die Kampagne. Die Kampagne weist dann brav aus, wie viel Geld das "Team fĂŒr eine starke Schweiz" bezahlt hat. Offenlegungspflicht erfĂŒllt, Transparenz abgewehrt.

Was im Kanton Genf mit einer Àhnlichen Regelung bereits RealitÀt ist, wird wohl auch auf nationaler Ebene ab kommendem Jahr stÀrker auftreten. Etwas dagegen zu unternehmen, ist aus Sicht des Regulators alles andere als einfach und wahrscheinlich bedarf es die Arbeit von investigativen Journalist:innen, um die Hinterleute dieser Alibi-Komitees zu entlarven.

Schein-Singles in der KampagnenfĂŒhrung

Schlupfloch 2: Wenn ein Teil der Kampagne fĂŒr 30 000 Franken Plakate aufhĂ€ngen lĂ€sst und ein anderer Teil eine Social-Media-Kampagne fĂŒr 20 000 Franken fĂ€hrt, ist der Schwellenwert von 50 000 Franken erreicht. Diese Kampagne mĂŒsste ihre Grossspender:innen offenlegen. In der ursprĂŒnglichen Fassung der Verordnung hĂ€tten sich die beiden Teile aber MĂŒhe geben mĂŒssen, nicht als zwei getrennte Kampagnen zu gelten. Oder anders gesagt: Man hĂ€tte jede noch so grosse Kampagne leicht in viele kleine Kampagnen aufteilen können, die unter der Offenlegungsschwelle von 50 000 Franken geblieben wĂ€ren.

Hier hat der Bundesrat nachgebessert. Statt dass eine "gemeinsame Kampagne" nur dann eine solche ist, wenn die Teilnehmenden "eine Kampagne gemeinsam planen, in der Öffentlichkeit gemeinsam auftreten und eine gemeinsame Rechnung fĂŒhren", gilt als gemeinsam, wenn die Planung und das öffentliche Auftreten zusammen erfolgt. Dass hier nur die Rechnung aus dieser unnötigen Kumulation entfernt wurde, ist eine Verbesserung. Noch besser wĂ€re gewesen, man hĂ€tte das und durch ein oder ersetzt. Eine Kampange wĂ€re dann also eine gemeinsame, wenn Planung, Auftritte oder Rechnung zusammen erstellt werden.

Das Register vergisst zĂŒgig

Schlupfloch 3: Die Transparenz wird mit einem Register umgesetzt. In diesem Register, das von der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) beaufsichtigt wird, landen alle Namen von Spender:innen und BegĂŒnstigten sowie alle Angaben darĂŒber, welches politische Anliegen von wem wie viel Geld erhalten hat. Aber: Nach fĂŒnf Jahren wird alles wieder gelöscht. So will es, trotz Kritik von Lobbywatch, die endgĂŒltige Verordnung.

Das ist eine merkwĂŒrdige Regel und zeigt eine transparenz-feindliche Grundhaltung, denn sie verunmöglicht Langzeitvergleiche. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Daten auch kĂŒnftig erhalten bleiben, denn Journalist:innen, Wissenschaftler:innen oder Unternehmer:innen, die mit den Daten GeschĂ€ften möchten, werden diese voraussichtlich speichern und aufbereiten.

Wir wissen nicht, ob der Inhalt des Registers stimmt

Schlupfloch 4: Schlichtweg ignoriert hat der Bundesrat in der endgĂŒltigen Verordnung ein Gutachten der Uni Bern zur Problematik, wenn gemeldete Daten nicht korrekt sind. In der Verordnung steht unverĂ€ndert: "Die eingereichten Angaben und Dokumente werden auch dann veröffentlicht, wenn ein Verdacht auf einen Verstoss gegen die Offenlegungspflichten besteht (...)" Von einem Hinweis auf diesen Verdacht oder gar auf ein eingeleitetes Strafverfahren, wie es neben Lobbywatch auch die SP, die GrĂŒnen und drei zivilgesellschaftliche Organisationen forderten, keine Spur. Der Verdacht muss die Kontrollbehörde EFK erst dazu veranlassen, ein Strafverfahren zu eröffnen (was keine kleine HĂŒrde ist). Erst wenn ein Strafverfahren zu einer Verurteilung gefĂŒhrt hat, wird ein kommentarloser Hinweis angebracht, dass die gemachten Angaben falsch sind. Die Daten bleiben drin.

Die Uni Bern machte in einem Gutachten auf diesen Schwachpunkt aufmerksam und hielt fest: "Echte Transparenz ist indes nur gegeben, wenn die publizierten Daten der Wahrheit entsprechen. Transparenz und Wahrhaftigkeit gehen Hand in Hand; das Eine ergibt ohne das Andere keinen Sinn."

Interner Widerspruch

Die ursprĂŒngliche Fassung der Verordnung hatte gar fĂŒr die Kontrollbehörde EFK zu viele Eier im Korb. Die Neue ZĂŒrcher Zeitung schrieb vor ein paar Tagen ĂŒber die Haltung der EFK: "Wenn der Bundesrat der Finanzkontrolle keine schĂ€rferen Instrumente in die Hand gebe, werde sie diese Aufgabe nicht ĂŒbernehmen." Insbesondere der oben erwĂ€hnte Mangel, Informationen publizieren zu mĂŒssen, die möglicherweise falsch sind, aber auch das Verbot, unangemeldete Kontrollen durchzufĂŒhren, stossen der Finanzkontrolle verstĂ€ndlicherweise sauer auf.

Ob die zaghaften Verbesserungen an dieser Haltung etwas Àndern, wird sich zeigen. So, wie sich auch zeigen wird, ob nun mehr Transparenz erreicht wird. Lobbywatch wird mit Argusaugen darauf achten, dass das neue Register nicht zu einem DeckmÀntelchen wird, um Politik weiterhin verdeckt zu finanzieren.