18.06.2021 06:55 â Thomas Angeli
Die Schweiz bekommt endlich ein Gesetz ĂŒber die Politikfinanzierung: Grosspender von Wahl- und Abstimungskampagnen mĂŒssen kĂŒnftig offen gelegt werden.
Die Schlussabstimmungen im National- und im StĂ€nderat waren letztlich nur noch Formsache. Am Freitag hat das Parlament einem indirekten Gegenvorschlag zur Transparenz-Initiative zugestimmt â und damit einen wahrhaft historischen Entscheid gefĂ€llt. Nach unzĂ€hligen erfolglosen AnlĂ€ufen erhĂ€lt die Schweiz ein Gesetz, wonach Spenden fĂŒr Wahl- und AbstimmungskĂ€mpfe offen gelegt werden mĂŒssen.
Doch der Reihe nach: Am 10. Oktober 2017 reichte ein Komitee von primĂ€r linken und grĂŒnen Parteien und Organisationen die Transparenz-Initiative mit rund 109 000 gĂŒltigen Unterschriften ein. Ziel der Initiant:innen ist es, dass Spenden ĂŒber 10 000 Franken an politische Parteien offengelegt werden mĂŒssen. Bei Wahl- und Abstimmungskampagnen, die ĂŒber 100 000 Franken kosten, sollten die BeitrĂ€ge ĂŒber 10 000 Franken ebenfalls deklariert werden mĂŒssen.
Unter den bĂŒrgerlichen Parteien war der Aufschrei gross: von einer Gefahr fĂŒr die PrivatsphĂ€re war die Rede und davon, dass KMUs damit von Spenden abgehalten wĂŒrden, weil sie oftmals nicht wĂŒnschten, genannt zu werden.
Schon die Wahlen 2019 zeigten jedoch, dass insbesondere das zweite Argument nicht verfĂ€ngt. In zwei der wohl kostspieligsten Wahlkampagnen fĂŒr den StĂ€nderat, die die Schweiz je gesehen hatte, verpflichteten sich die beiden SP-Politiker CĂ©dric Wermuth (AG) und Hans Stöckli (BE), alle Spenden ĂŒber 5000, resp. 10 000 Franken offenzulegen. Bei beiden lagen sĂ€mtliche Einzelspenden darunter.
Bewegung in den Kantonen
Auch in den Kantonen tat sich etwas. In Schwyz und Freiburg votierte die Bevölkerung im MĂ€rz 2018 hauchdĂŒnn fĂŒr einen Transparenzartikel in der Kantonsverfassung. WĂ€hrend die Schwyzer:innen das danach ausgearbeitete Gesetz jedoch ablehnten (und somit wieder fast bei Null anfangen mĂŒssen), demonstriert Freiburg seit Anfang Jahr, wie Transparenz in der Politik funktioniert. In Schaffhausen votierten die Stimmberechtigten 2020 fĂŒr mehr Transparenz. In der Waadt und im Wallis sind entsprechende BemĂŒhungen im Gange.
Kurz: Die Zeit war mehr als nur reif fĂŒr eine Regelung auf eidgenössischer Ebene, nicht zuletzt, um der wiederkehrenden Kritik der Staatengruppe des Europarats gegen Korruption (Greco) GenĂŒge zu tun. Diese hatte bemĂ€ngelt, die Schweiz tue zu wenig, um die Parteienfinanzierung transparenter zu machen.
Dennoch empfahl der Bundesrat im August 2018 die Transparenz-Initiative zur Ablehnung. Im StĂ€nderat reifte jedoch die Erkenntnis, dass es Zeit ist fĂŒr mehr Licht ins Dunkel der Parteifinanzen. Doch die Vermutung liegt nahe: die Initiative hat in der Bevölkerung grosse Sympathien und wĂ€re schwierig zu bekĂ€mpfen. So schlug die kleine Kammer deshalb vor, die Sache in einem Gesetz statt in der Verfassung festzuschreiben. Der indirekten Gegenvorschlag, den die Staatspolitische Kommission des StĂ€nderats verfasste, war jedoch fĂŒr die Initiant:innen inakzeptabel: Ein Schwellenwert von 250 000 Franken fĂŒr Kampagnen und 25 000 Franken fĂŒr Einzelspenden war weit von ihren Vorstellungen entferntâ auch von denjenigen von Lobbywatch: In der Vernehmlassung forderten wir bei Kampagnenbudgets eine Offenlegungspflicht ab 50 000 Franken und ab 5000 Franken bei Einzelspenden.
Es folgte ein gut-eidgenössisches KrĂ€ftemessen zwischen den RĂ€ten â und schliesslich ein ĂŒberraschender Kompromiss: Der ZĂŒrcher FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt drang letzlich mit dem Vorschlag durch, die Schwelle fĂŒr Einzelspenden bei (hohen) 15 000 Franken anzusetzen, die Offenlegungspflicht fĂŒr Kampagnen jedoch auf 50 000 Franken festzulegen.
Wichtigstes Anliegen erreicht
Jetzt haben die Initiant:innen erklĂ€rt, die Initiative zurĂŒckzuziehen, sofern kein Referendum gegen das Gesetz ergriffen wird. Sie können sich zurecht als Sieger:innen fĂŒhlen. Zwar mĂŒssen politische Parteien immer noch nicht offenlegen, wie sie sich finanzieren und von wem sie Geld erhalten. Da aber in der Schweiz die Finanzierung viel mehr ĂŒber die kantonalen als ĂŒber die nationalen Parteien lĂ€uft, wĂ€ren diese Angaben wohl nur von beschrĂ€nkter Aussagekraft gewesen. Auch der Schwellenwert von 15 000 Franken fĂŒr Einzelspenden ist höher, als dies in der Initiative vorgesehen war.
Das wichtigste Anliegen der Initiant:innen wurde jedoch in der neuen Regelung nicht nur aufgenommen, sondern sogar verschĂ€rft: Wer eine Kampagne fĂŒhrt, die mehr als 50 000 Franken kostet â und dazu reichen ein paar grössere Inserate und Plakate â muss kĂŒnftig Farbe bekennen und die grossen Spender:innen nennen. Das Parlament hat somit die Zeichen der Zeit erkannt â endlich.