21.02.2021 08:57 â Elodie MĂŒller und Julia Jeanloz
Der Kanton Freiburg hat seit dem 1. Januar ein Transparenzgesetz, im Wallis arbeitet man daran, und auch der WaadtlĂ€nder Staatsrat prĂ€sentiert jetzt eine Regelung. Die Kantone machen vorwĂ€rts â und im Bundeshaus versucht man, das Rad der Zeit zurĂŒckzudrehen.
Anfang Februar legte die WaadtlĂ€nder Regierung dem Parlament einen Entwurf fĂŒr die Revision des Gesetzes ĂŒber die AusĂŒbung der politischen Rechte vor. Der Hauptpunkt: die finanzielle Transparenz des politischen Lebens. Der Staatsrat schlĂ€gt darin vor, dass die im Grossen Rat vertretenen Parteien, die Gemeinden mit mehr als 10'000 Einwohnern, aber auch die Komitees, die an WahlkĂ€mpfen oder Abstimmungen beteiligt sind, ihre Jahresrechnungen veröffentlichen. Alle diese Akteure sowie die Kandidaten fĂŒr die eidgenössischen RĂ€te, den Staatsrat, den Grossen Rat mĂŒssen demnach erhaltene Spenden offenlegen: Privatpersonen ab 5000 Franken, juristische Personen â also Parteien und Abstimmungskomitees bereits ab 3000 Franken.
Laut der zustĂ€ndigen StaatsrĂ€tin Christelle Luisier Brodard (FDP) ist es das Ziel, dass diese Regelung bereits am 1. Januar 2022 in Kraft tritt â also noch vor den nĂ€chsten kantonalen Wahlen. FĂŒr Luisier Brodard sind drei Elemente essenziell: «Erstens das Vertrauen zwischen den Behörden, den Institutionen und der Bevölkerung â insbesondere angesichts der aktuellen Gesundheitskrise. Zweitens muss die Bevölkerung informiert werden. Eine Abstimmung muss in voller Kenntnis der Sachlage erfolgen. Schliesslich geht es um die Verhinderung von Korruption.»
Diese Argumente schwingen auch bei der eidgenössischen Transparenzinitiative mit: «Das ist ein wichtiges Signal in Richtung Bern», freut sich die Berner SP-NationalrĂ€tin Nadine Masshardt, Co-PrĂ€sidentin des Initiativkomitees: «Der Kanton Waadt reiht sich damit in die Liste der Kantone ein, die mehr Transparenz bei der Finanzierung des politischen Lebens fordern.». Mittlerweile haben die meisten französischsprachigen Kantone Transparenzgesetze eingefĂŒhrt (Freiburg, Genf, Neuenburg), ebenso das Tessin, Schwyz und Schaffhausen, wobei die Schwellen, ab welchem Betrag Spender offen gelegt werden mĂŒssen, von Kanton zu Kanton unterschiedlich sind.
Kafkaeske Argumente des Bundesrates
Das ist die gute Nachricht. Umso unverstÀndlicher ist jedoch, dass man sich auf eidgenössischer Ebene mit der Transparenz in der Parteien- und Wahlkampffinanzierung noch immer ungemein schwer tut. So bleibt die Schweiz bis auf Weiteres der einzige Mitgliedsstaat des Europarates, der keine Regelungen zu diesem Thema hat.
Die von einem BĂŒndnis aus primĂ€r linken und zivilgesellschaftlichen Organisationen eingereichte Volksinitiative «FĂŒr mehr Transparenz in der Politikfinanzierung», die vermutlich noch dieses Jahr zur Abstimmung kommt, will das Ă€ndern. Der Bundesrat hat sie jedoch zur Ablehnung empfohlen, weil sie mit den Besonderheiten des schweizerischen politischen Systems unvereinbar seien. Dazu das merkwĂŒrdige Argument, es sei zweifelhaft, ob finanzielle Mittel einen ĂŒberwiegenden Einfluss auf den politischen Erfolg haben.
Ein indirekter Gegenvorschlag zur Initiative wird derzeit im StĂ€nderat und im Nationalrat diskutiert. Umstrittener Punkt: Ab welcher Höhe Spenden an Bundeskampagnen offen gelegt werden. WĂ€hrend die Initiative einen Schwellenwert von 10 000 Franken fordert, haben die bĂŒrgerliche Mehrheiten in den RĂ€ten diesen auf 25 000 Franken erhöht. Zuwendungen in dieser Höhe sind in der Schweiz jedoch praktisch inexistent, womit das Transparenzgesetz wirkungslos wĂŒrde.
DarĂŒber hinaus hatte die Staatspolitische Kommission (SPK) des StĂ€nderats eine Ausnahmeklausel eingebaut â ausgerechnet fĂŒr die Wahlen in die kleine Kammer. Ihr Argument: Diese Wahl sei eine kantonale Angelegenheit. Immerhin gibt die SPK des Nationalrats nun Gegensteuer: Sie will, dass auch StĂ€nderĂ€te ihre Wahlkampfbudgets offenlegen mĂŒssen.
Noch ein langer Weg
Die anhaltende Intransparenz bei der Finanzierung von Schweizer Parteien, WahlkĂ€mpfen und den EntschĂ€digungen fĂŒr TĂ€tigkeiten von Bundesparlamentariern ist heutzutage kaum mehr zu rechtfertigen. Der Nationalrat wird demnĂ€chst ĂŒber den Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative debattieren. Nimmt er ihn an, höhlt er damit die Initiative völlig aus. Ăbrig bliebe die Frage: Warum weigert sich das Parlament weiterhin, die fĂŒr eine funktionierende Demokratie notwendige Transparenz darĂŒber zu schaffen, wer Politikerinnen, Parteien und AbstimmungskĂ€mpfe finanziert?
Bild: Hansueli Krapf, https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:CC-BY-SA-3.0