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Die Netze sind lÀngst ausgelegt

01.06.2015 04:56 – Thomas Angeli

Wenn Christa Markwalder heute vor der Aussenpolitischen Kommission und dem BĂŒro des Nationalrats antraben muss, um ĂŒber ihren Vorstoss fĂŒr eine angebliche kasachische Oppositionspartei Auskunft zu geben, so werden in diesen beiden Gremien nicht wenige Parlamentsmitglieder sitzen, die ebenfalls mit Lobbyfirmen verstrickt sind. Denn diese haben ihre Netze lĂ€ngst ausgelegt.

Möglicherweise kostet die AffĂ€re, die ihren Namen trĂ€gt, Christa Markwalder das NationalratsprĂ€sidium, wenn es fĂŒr sie ganz hart kommt, gar die politische Karriere. Kein Zweifel: Die Berner Freisinnige war geradezu strĂ€flich naiv, als sie sich von einer Lobbyistin der PR-Agentur Burson-Marsteller einen Vorstoss schreiben liess. FDP-ParteiprĂ€sident Philipp MĂŒller verspricht denn auch AufklĂ€rung "ohne RĂŒcksicht auf die Befindlichkeit einzelner Personen" und gelobt Besserung. Und mit ihm wollen nun plötzlich ganz viele ein Register der Lobbyisten im Bundeshaus fĂŒhren - selbst diejenigen, die bei der letzten Abstimmung darĂŒber noch auf den Nein-Knopf gedrĂŒckt haben.

"Mehr Transparenz", das klingt ein paar Monate vor den Wahlen vom 18. Oktober wahnsinnig gut. Dennoch dĂŒrfte die Empörung ĂŒber die Machenschaften der Lobbyisten eine kurze Halbwertszeit haben. Denn die NationalrĂ€te und StĂ€nderĂ€tinnen hĂ€ngen lĂ€ngst viel zu tief in all den Netzwerken drin, die Lobbyfirmen und andere mĂ€chtige EinflĂŒsterer in den vergangenen Jahren geschickt gesponnen haben. UnzĂ€hlige "parlamentarische Gruppen", "Interessengemeinschaften" und "Informationsgruppen" werben um Ratsmitglieder. Und hinter den meisten dieser Gruppen steckt ein Verband oder eine PR-Firma. Je mehr Parlamentarier sich auf diesem Weg einbinden lassen, desto direkter können Lobbyisten ihre Anliegen schon frĂŒh im Gesetzgebungsprozess einbringen.

Lobbyfirmen können auf Parlamentarier zÀhlen

So sitzen etwa in der 25-köpfigen Nationalratskommission fĂŒr soziale Sicherheit und Gesundheit nicht weniger als neun - bĂŒrgerliche - NationalrĂ€tinnen und -rĂ€te, die bei der IG biomedizinische Forschung und Innovation Mitglied sind. Der verschwiegene Zirkel, der in der offiziellen Liste der parlamentarischen Gruppen nicht auftaucht, wird von der Interpharma gefĂŒhrt, der mĂ€chtigen Lobbyorganisation der Pharmaindustrie.

Die PR-Firma Dynamics Group wiederum hat mit dem Forum Gesundheit eine Interessengruppe aufgebaut, die auf derzeit 21 National- und StĂ€nderĂ€te zĂ€hlen kann. Die Organisation, die sich gegen staatliche Eingriffe ins Gesundheitswesen und insbesondere fĂŒr die freie Spitalwahl einsetzt, kann in der Gesundheitskommission des Nationalrats auf die UnterstĂŒtzung von sieben Parlamentsmitgliedern zĂ€hlen - auch sie allesamt aus dem bĂŒrgerlichen Lager.

Auch Furrerhugi mischt bei den informellen Gruppen im Bundeshaus krĂ€ftig mit. Die PR-Agentur fĂŒhrt etwa die GeschĂ€fte der 43-köpfigen parlamentarischen Gruppe ePower, der auch linke und grĂŒne Ratsmitglieder angehören. Ebenfalls bei Furrerhugi angesiedelt ist SuccĂšSuisse, eine Organisation, die sich laut Eigenwerbung "fĂŒr die Verteidigung und StĂ€rkung des Erfolgsmodells Schweiz" einsetzt - mit Hilfe von Ratsmitgliedern.

Auch Farner Consulting mischt im Spiel der Parlamentarier-Netzwerke krĂ€ftig mit. Die PR-Firma fĂŒhrte etwa die GeschĂ€fte des Arbeitskreises Sicherheit und Wehrtechnik (ASUW), der der RĂŒstungsindustrie nahesteht. 42 National- und StĂ€nderĂ€te Mitglied sind Mitglied der ASUW. Auch die GeschĂ€ftsstelle der Aktion fĂŒr vernĂŒnftige Energiepolitik (Aves) wird neuerdings von Farner Consulting gefĂŒhrt. Bei der atomfreundlichen Organisation kann Farner auf rund 60 Parlamentsmitglieder zĂ€hlen, die sich willig mit Informationen versorgen lassen.

Ein Lobbyregister reicht nicht

Wollen die Parlamentarier, die jetzt laut nach Transparenz rufen, den Einfluss der Lobbyisten tatsĂ€chlich beschrĂ€nken, mĂŒssen die meisten von ihnen erst einmal grĂŒndlich vor der eigenen TĂŒr wischen. Dann reicht ein Lobbyisten-Register, wie es in der eher wirren Diskussion herumgeistert, nicht aus. Was es braucht, sind verbindliche, ehrliche Aussagen von jedem Parlamentsmitglied, wessen Interessen es tatsĂ€chlich vertritt, in welchen Gruppen und GrĂŒppchen es mittut und wer diese leitet. Zudem muss zwingend ersichtlich sein, welche - monetĂ€ren - Vorteile man als Parlamentsmitglied aus solchen Mandaten erzielen kann.

Vielleicht hilft es den Ratsmitgliedern auch, in einer ruhigen Minute einen Blick in die Bundesverfassung zu werfen. Dort steht in Artikel 161: "Die Mitglieder der Bundesversammlung stimmen ohne Weisungen. Sie legen ihre Interessenbindungen offen." Womit eigentlich alles klar wÀre.

Die ursprĂŒngliche Fassung dieses Artikels erschien zuerst im Beobachter 11/2015.