23.02.2017 05:01 â Thomas Angeli
Martin Stoll gelangt mit einem Journalistenausweis ins Bundeshaus und kann dort fĂŒr das Transparenzportal oeffentlichkeitsgesetz.ch lobbyieren. Ein schlechtes Gewissen hat er deshalb nicht.
Martin Stoll, Sie sind Journalist und lobbyieren fĂŒr das Transparenzportal oeffentlichkeitsgesetz.ch. Was braucht es, um einen Nationalrat von einem Anliegen zu ĂŒberzeugen?
Martin Stoll: Es braucht vor allem einen direkten Zugang, man muss mit den Politikern sprechen können. Und: Es braucht gute Argumente. Ăffentlichkeitsgesetz.ch hat natĂŒrlich viele gute Argumente. Als Journalisten haben wir einen Vorteil: Politiker sprechen gerne mit uns, wahrscheinlich, weil sie sich erhoffen, ihre Botschaft in die Zeitung bringen zu können.
Sie gelangen dank eines Journalisten-Ausweises ins Bundeshaus, Ihre TĂ€tigkeiten deklarieren Sie nirgendwo. Ist Ihnen wohl dabei?
Ich bin eher selten im Bundeshaus, und unser Lobbying ist sehr bescheiden. Vergangenes Jahr haben wir dafĂŒr weniger als eine Arbeitswoche einsetzen können. Wir platzieren unsere Argumente ĂŒber E-Mail und ĂŒbers Telefon. Unsere Rollen als Journalisten und Vertreter von Ăffentlichkeitsgesetz.ch trennen wir strikt, auch wenn wir fĂŒr die Interessen von Medienschaffenden lobbyieren.
Weshalb haben Lobbyisten einen schlechten Ruf?
Lobbyisten sind oft nicht genĂŒgend transparent. Es ist nicht klar, fĂŒr wen sie effektiv unterwegs sind. So wirken unsichtbare Netzwerke, und schlecht erkennbare MĂ€chte formieren sich im Hintergrund. Das erzeugt bei vielen BĂŒrgerinnen und BĂŒrgern zu Recht Unwohlsein.
Gibt es gute und schlechte Lobbyisten?
Die besseren Lobbyisten verhalten sich transparent. GrundsĂ€tzlich kann ja in der Schweiz jedermann seinen Einfluss geltend machen. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Jeder soll seine Argumente auch bei Politikern, den Vertretern des Volkes, platzieren können. So ist eigentlich jeder ein kleiner Lobbyist. Ein Profi-Lobbyist ist aber bezahlt und nicht in seiner privaten Mission unterwegs. Daraus entsteht ein Problem: Wer Geld hat, kann sich die Dienste von Profi-Lobbyisten leisten und damit seine Meinung platzieren und vervielfachen. Dieses Ungleichgewicht gegenĂŒber einem normalen BĂŒrger ist im Grunde problematisch, vor allem wenn es an Transparenz ĂŒber die eingesetzten Mittel fehlt.
Lobbywatch erarbeitet zurzeit eine neue Art der Visualisierung von Transparenz in der Politik. Bald ist diese neue Darstellung online. Welche Verbindung werden Sie zuerst nachschauen?
Mich interessieren Verbindungen im Gesundheitswesen. Hier gibt es bei einigen Politikern punkto Interessenvertretungen eigentliche Schwergewichte. Aber auch die gut vernetzten Bauern sind interessant. Und die RĂŒstungsindustrie.
Martin Stoll ist Initiant und GeschĂ€ftsfĂŒhrer des Transparenzportals Ăffentlichkeitsgesetz.ch und arbeitet als Korrespondent der Bundesverwaltung fĂŒr die SonntagsZeitung. Er ist ausserdem Vorstandsmitglied des Recherchenetzwerks Investigativ.ch.
Transparenz ist nicht gratis. Lobbywatch.ch arbeitet derzeit an einer völlig neuen Darstellung von Interessenverstrickungen in der Politik. Wir wollen auf einen Blick ersichtlich machen, welche Politiker am GĂ€ngelband welcher Lobbygruppe hĂ€ngt und welche Branche ĂŒber welche KanĂ€le mit dem Bundeshaus verbunden sind. FĂŒr diese Visualisierung fehlen uns 15â000 Franken. Deshalb haben wir auf wemakeit.com eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Helfen Sie mit und sorgen Sie mit Ihrer Spende fĂŒr mehr Transparenz.
Bereits erschienen: