25.04.2020 11:30 â Thomas Angeli
Die Sondersession der eidgenössischen RĂ€te von Anfang Mai findet unter besonderen Bedingungen statt: in den Hallen der BernExpo, unter Einhaltung der Abstandsvorschriften â und ohne Lobbyistinnen und Lobbyisten. TatsĂ€chlich?
Wenn vom 4. bis 8. Mai in den Hallen der BEA in Bern National- und StĂ€nderat tagen, haben Lobbyistinnen und Lobyisten keinen Zugang. Eine Session ohne Einflussnahme also? Weit gefehlt. Noch bevor das Sessionsprogramm feststeht, tun gewichtige Interessensvertreter alles, um ihre Sichtweise den Ratsmitgliedern nĂ€her zu bringen. Besonders aktiv ist dabei der Industrieverband Swissmem. Dessen PrĂ€sident Hans Hess fordert schon seit Wochen, dass die Pandemie-Massnahmen gelockert werden mĂŒssten, um der Wirtschaft nicht noch mehr Schaden zuzufĂŒgen. Nun will Swissmem auf Nummer sicher gehen und sucht den Kontakt zu Politikerinnen und Politikern auf anderem Weg. Er lĂ€dt deshalb am 28. April Parlamentarierinnen und Parlamentarier zu einem «Online-Polittalk» via dem Konferenztool Zoom ein.
Industriebetriebe wĂŒrden «einen grossen Beitrag an das Funktionieren der Infrastruktur des Landes und an die BewĂ€ltigung der Krise» leisten, schreibt Swissmem in der Einladung, die Lobbywatch vorliegt. «Deshalb mĂŒssen sie unter strikter Einhaltung der Hygiene- und Gesundheitsvorschriften wo immer möglich weiterarbeiten können.»
Am Online-Polittalk wollen deshalb Swissmem-PrĂ€sident Hans Hess und VizeprĂ€sidentin Eva Jaisli ĂŒber die aktuelle Lage der Industrie und «Herausforderungen und KrisenbewĂ€ltigung aus Sicht einer Unternehmerin» berichten. Konkret dĂŒrfte es bei Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher, dem frĂŒheren GeneralsekretĂ€r des damaligen Bundesrats Johann Schneider-Ammann werden. Brupbacher wird die «Anliegen der Industrie an die Politik» formulieren.
NatĂŒrlich hat nicht nur Swissmem konkrete Erwartungen von der Politik. Auch andere Lobbys versuchen wĂ€hrend der Coronakrise aktiv, mit ihren Forderungen direkt an Politikerinnen und Politiker zu gelangen. So hatte etwa der PrĂ€sident von Gastrosuisse, Casimir Platzer, die fĂŒnf bĂŒrgerlichen Mitglieder des Bundesrats in einem Brief bekniet, Lockerungen fĂŒr das Gastgewerbe schon auf den 27. April zuzugestehen.
Auch auto-schweiz, der Dachverband des Autogewerbes, drĂ€ngt auf Lockerungen, allerdings anderer Art. Aufgrund der Krise könnten die CO2-Ziele von der Branche nicht eingehalten werden, schreibt auto-schweiz in einer Medienmitteilung: «Sollte die EU hier Anpassungen vornehmen, wird sich auto-schweiz fĂŒr die Umsetzung entsprechender Massnahmen auch hierzulande stark machen, um eine zusĂ€tzliche Belastung der gesamten Volkswirtschaft durch exorbitante Sanktionen zu verhindern.» Anders gesagt: Dank der Coronakrise sollen sich das Autogewerbe nicht an die Umweltvorschriften halten mĂŒssen.
Auch der Gewerkschaftsbund ist aktiv. Er fordert unter anderem ein Verbot von Betriebsschliessungen und Entlassungen bei Unternehmen, die von den UnterstĂŒtzungsmassnahmen des Bundes Gebrauch machen, 100 Prozent Lohnersatz bei Kurzarbeit und eine Ăbernahme der KrankenkassenprĂ€mien durch den Bund.
Die Sondersession verspricht turbulent zu werden. Nach ein paar Wochen der relativen Ruhe kommen nicht nur die Politikerinnen und Politiker nach Bern zurĂŒck, sondern auch die Lobbyisten. Und wie.