LogoLobbywatch

CO2-Gesetz: Debatte mit unscharfen Grenzen

06.06.2021 03:00 – Elodie MĂŒller

Bei der Debatte um das CO2-Gesetz kommen sich gewisse Konzerne selber in die Quere – und die traditionellen politischen Linien verwischen.

Vor vier Wochen ergab eine Umfrage im Auftrag der SRG eine fast 60-prozentige Zustimmung zum revidierten CO2-Gesetz. Eine zweite, am letzten Mittwoch veröffentlichte Umfrage zeigte jedoch, dass die UnterstĂŒtzung fĂŒr das Gesetz auf 54 Prozent gesunken ist. Im Endspurt des Abstimmungskampfs stehen sich zwei Lager entlang von Linien gegenĂŒber, die nur bedingt in das traditionelle politische Schema passen.

Die Erosion der UnterstĂŒtzung fĂŒr die Revision des CO2-Gesetzes hĂ€ngt nicht zuletzt mit der Höhe den Ressourcen zusammen, ĂŒber die das Referendumskomitee verfĂŒgt. Dieses wird von Avenergy, der ehemaligen Erdölvereinigung, angefĂŒhrt und besteht aus 15 Organisationen, primĂ€r aus der Automobil- und Erdölbranche. Daneben weibeln noch ein «Wirtschaftskomitee “Nein zum CO2-Gesetz”», ein «Liberales Komitee fĂŒr eine wirksame Umweltpolitik» und eine «IG Klimagerecht» (bei der wiederum Avenergy mit im Boot sitzt) gegen das CO2-Gesetz (Lobbywatch berichtete).

Coop und Migros: Tochtergesellschaften mit Interessenkonflikten

Auch wenn die Revision des CO2-Gesetzes einigen UmweltschĂŒtzer:innen nicht weit genug geht, so kristallisieren sich doch vor allem Spannungen zwischen und innerhalb von wirtschaftlichen Akteuren heraus, deren Interessen stark divergieren. Im November 2020 berichtete etwa SRF, dass die Coop- und Migros-Töchter Coop Mineralöl und Migrol, die Tankstellen betreiben, das Avenergy-Referendum unterstĂŒtzen. Erstaunlich ist das nicht: Mit Daniel Hofer amtet ausgerechnet der CEO der Migrol AG als PrĂ€sident von Avenergy.

So absurd es klingen mag: WĂ€hrend Coop und Migros in den letzten Monaten ihre Pro-Klima-Aktionen verstĂ€rkt haben und als Mitglieder der IG Detailhandel die Ja-Seite unterstĂŒtzen, finanzieren sie ĂŒber ihre Tochtergesellschaften die Kampagne der Gegner.

Klimafragen spalten die Wirtschaft

Umweltthemen schaffen es immer wieder, die traditionellen politischen Linien zu verwischen, und damit auch die Welt der Lobbyarbeit. WĂ€hrend die FDP die Gesetzesrevision nach mehrjĂ€hriger parlamentarischer Debatte mehrheitlich unterstĂŒtzte, haben die Organisationen des Referendumskomitees noch immer viele UnterstĂŒtzer im Bundesparlament, vor allem bei der SVP und der FDP. Das welsche Online-Medium «heidi.news» berichtete im April, dass 29% der SVP- und 24% der FDP-Parlamentarier Interessenverbindungen zu den vom Referendumskomitee vertretenen Sektoren haben (im Vergleich zu 16 fĂŒr bei der Mitte, null bei der SP und 3 bei den GrĂŒnen).

Doch angesichts des zunehmenden Drucks der Konsumentinnen und Konsumenten in der Klimafrage gibt es auch Verwerfungen bei den traditionell bĂŒrgerlichen Organisationen. Economiesuisse, der mĂ€chtigste Wirtschaftsdachverband des Landes, hat sich angesichts der wachsenden öffentlichen UnterstĂŒtzung fĂŒr eine stĂ€rkere Klimapolitik fĂŒr das CO2-Gesetz ausgesprochen. Ende 2020 traten Avenergy und Auto Schweiz deshalb bei Economiesuisse aus und schlossen sich dem Gewerbeverband an. Swiss Retail, der Verband des Detailhandels, trat bei Economiesuisse ebenfalls aus, blieb aber unabhĂ€ngig.

Zwischen dem Greenwashing bestimmter Wirtschaftszweige und der deutlichen Rebellion gegen das CO2-Gesetz rĂŒcken damit Klimathemen wenige Wochen vor der Abstimmung in den Mittelpunkt der politischen Debatte.