14.01.2019 19:55 â Thomas Angeli
Eine Petition, eine Mini-Reform, ganz viele parlamentarische Gruppen und Abgeordnete, die unfreiwillig ihre EinkĂŒnfte offenlegen: 2018 war ein bewegtes Jahr fĂŒr Lobbywatch. Und 2019 wird es erst recht.
Man hatte hoffen dĂŒrfen in diesem 2018. Hoffen, dass sich das Parlament endlich dazu durchringt, in eigener Sache fĂŒr mehr Durchblick zu sorgen. Immerhin hatte der StĂ€nderat klargemacht, dass er ein Lobbyistenregister will. Und im Nationalrat lagen Vorstösse vor, die die Parlamentarierinnen und Parlamentarier verpflichten sollte, offenzulegen, welche Mandate ihnen Einnahmen von mehr als 12 000 Franken jĂ€hrlich bringen. Ein paar Tage nach Jahreswechsel stellt Lobbywatch fest: Die Hoffnungen haben sich nur zu einem kleinen Teil erfĂŒllt. Und die Arbeit der Plattform fĂŒr eine transparente Politik bleibt wichtiger denn je. Ein JahresrĂŒckblick in Stichworten:
Die Lobbywatch-Petition: 3121 UnterstĂŒtzerinnen und UnterstĂŒtzer forderten im Sommer «Schluss mit dem Lobby-Versteckspiel!». Die von Lobbywatch lancierte Petition richtete sich direkt an die Mitglieder von National- und StĂ€nderat und verlangte unter anderem eine gesetzliche Regelung, dass diese alle ihre Interessenbindungen offenlegen mĂŒssen, EinkĂŒnfte daraus zu deklarieren sind und Falschangaben sanktioniert werden können. Denn bis heute gilt bei den Interessenbindungen das Prinzip der Selbstdeklaration. Kontrollen oder gar Sanktionen existieren nicht, und EinkĂŒnfte aus Mandaten mĂŒssen nicht angegeben werden. Weiter forderten die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Lobbywatch-Petition die Schaffung eines Akkreditierungssystems fĂŒr Lobbyisten als Ersatz fĂŒr das untaugliche «Götti-System».
Ein Mini-Reförmchen: Von diesem lĂ€ngst ĂŒberholten System, bei dem jeder Parlamentarier zwei GĂ€sten Zutritt zum nicht-öffentlichen Teil des Bundeshauses gewĂ€hren kann, will der StĂ€nderat jedoch partout nicht abrĂŒcken. In der Wintersession 2018 beschloss er lediglich eine Mini-Reform. Neu mĂŒssen Angestellte von Lobbyagenturen deklarieren, in wessen Auftrag sie unterwegs sind, ebenso ehemalige Parlamentsmitglieder, die als Lobbyisten im Bundeshaus unterwegs sind. Auf ein Akkreditierungssystem mit nachvollziehbaren Kriterien fĂŒr den Zugang zum Bundeshaus verzichtet der StĂ€nderat hingegen. Man will weiterhin nach eigenem Gusto entscheiden, wer im Bundeshaus lobbyieren darf und wer nicht. Auch der Nationalrat glĂ€nzte 2018 mit wenig Wille zu Transparenz. Ratsmitglieder mĂŒssen im Register der Interessenbindungen in Zukunft zwar ihre Arbeitgeber offenlegen. Zudem rang sich der Nationalrat doch noch dazu durch, dass Parlamentarierinnen und Parlamentarier neu deklarieren mĂŒssen, ob sie ein Mandat bezahlt oder ehrenamtlich ausĂŒben. Wieviel Geld sie erhalten, mĂŒssen sie aber weiterhin nicht offenlegen.
Der Europarat macht's vor: GĂ€nzlich unfreiwillig mĂŒssen hingegen die zwölf Ratsmitglieder ihre EinkĂŒnfte offenlegen, die Mitglieder der Delegation der parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) sind. Dort gelten seit Ende September strenge Transparenzregeln. Zehn der zwölf Ratsmitglieder kamen der Aufforderung zur Offenlegung fristgerecht und mehr oder weniger ausfĂŒhrlich nach. Die beiden SVP-Politiker Hannes Germann (SH) und Thomas MĂŒller (SG) haben ihre EinkĂŒnfte bis heute nicht offengelegt.
Der Fall BĂ©glĂ©: Ein anderer Parlamentarier fiel 2018 durch hektische AktivitĂ€ten auf. Claude BĂ©glĂ© (CVP, VD) grĂŒndete im vergangenen Jahr nicht weniger als sieben parlamentarische Gruppen â alle in Bereichen, die mit seinen privaten GeschĂ€ften zu tun haben. Im «Beobachter» erklĂ€rte der umtriebige Nationalrat, der als Post-PrĂ€sident ĂŒber Tricksereien gestolpert war, er vermeide es, «öffentliche AktivitĂ€ten und private Interessen zu vermischen». Verschiedene Ratskolleginnen und -kollegen BĂ©glĂ©s zweifelten dies heftig an.
Der Fall Miesch: Ein weiterer alt Nationalrat machte 2018 ebenfalls von sich reden. Anfang MĂ€rz enthĂŒllte der «Tages-Anzeiger» , dass der Lobbyist Thomas Borer im Jahr 2015 dem damaligen SVP-Nationalrat 4635 fĂŒr ein GA ĂŒberwiesen hatte â aufgrund einer Rechnung Mieschs fĂŒr dessen Dienste als SekretĂ€r der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Kasachstan. Im Raum steht der Vorwurf der Vorteilsnahme oder der passiven Bestechung. Trotzdem brauchte die ImmunitĂ€tskommission des Nationalrats zwei AnlĂ€ufe, um die ImmunitĂ€t des alt Nationalrats aufzuheben. Nun ermittelt die Bundesanwaltschaft.
So unterstĂŒtzen Sie uns: Ob grössere (Nicht-) Reformen oder kleinere Tricksereien, das Jahr 2018 brachte Lobbywatch viel Arbeit. Diese wird uns auch 2019 nicht ausgehen, denn da wartet die ganz grosse Ăbung: Bei den eidgenössischen Wahlen im Oktober dĂŒrften rund ein Drittel der Parlamentssitze neu besetzt werden. FĂŒr die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Lobbywatch heisst das: recherchieren, Angaben aufdatieren, Daten kontrollieren. Dabei zĂ€hlen wir auf ehrenamtliche Helferinnen und Helfer â und auf Sie: Mit Ihrer Mitgliedschaft oder einer Spende helfen Sie uns, unsere Datenbank aktuell zu halten. Damit Sie und alle anderen politisch Interessierten in der Schweiz jederzeit nachschlagen können, wer im Bundeshaus wessen Interessen vertritt.